„(S)ein Kreuz tragen“

Gedanken und Gebete zur Mendener Kreuztracht

Für alle, die den Weg der Mendener Kreuztracht gerne für sich persönlich vollziehen und betrachten möchten, haben wir im Jahr 2021 das Gebetsheft „(S)ein Kreuz tragen“ herausgegeben. In gedruckter Form liegt es rund um die Kar- und Ostertage in der St. Vincenz-Kirche zum Mitnehmen aus. Mobil und digital können Sie die Texte aber auch hier betrachten.

Der Ausgangspunkt des Kreuztrachtweges ist das Missionskreuz auf dem Kirchplatz der St. Vincenz-Kirche. Über die „momend“-App der Stadtwerke Menden finden Sie eine detaillierte Wegbeschreibung.

 

Zum Geleit

O crux ave spes unica. – O Kreuz, einzige Hoffnung, sei gegrüßt.

Seit Jahrhunderten gehen Menschen in Menden den Weg mit dem Kreuz – im Gedenken an den, der es vor 2000 Jahren in Jerusalem auf den Berg Golgotha getragen hat, um daran für uns Menschen zu sterben – Jesus Christus. Durch ihr Mit-gehen verbinden sie sich – mit ihm – und mit vielen anderen Betern.Durch alle Zeiten hindurch, seit im Jahre 1685 die Glaubenstradition der Mendener Kreuztracht von Bürgermeister Schmittmann und Stadtschreiber Wulff begründet wurde, ist dieser besondere Ausdruck des Glaubens und Vertrauens von Menschen nicht unterbrochen worden.So laden wir Sie ein mit den Gebeten und Gedanken, die wir in diesem Heft zusammengetragen haben Ihren ganz persönlichen Weg der Mendener Kreuztracht zu gehen. Reihen Sie sich ein in die Schar derer, die trotz oder gerade wegen Corona auch in diesem Jahr dem Weg des Kreuzes folgen. Egal ob Sie alleine oder in einer kleinen Gruppe unterwegs sind, ER geht den Weg mit Ihnen und schenkt Zuversicht und Hoffnung durch die Glaubens-Gewissheit seiner Auferstehung. (Benedikt XVI., Karfreitag 2005 – gekürzte Fassung)

Missionskreuz auf dem Kirchplatz St. Vincenz

Herr Jesus Christus, du lädst uns ein, dir nachzufolgen. Du hast auf deinem Kreuzweg auch mein Kreuz getragen – nein, du hast es nicht irgendwann in der Vergangenheit getragen, denn deine Liebe ist meinem Leben gleichzeitig. Du trägst es heute mit mir und für mich, und wunderbarerweise willst du, dass nun ich wie einst Simon von Zyrene auch meinerseits dein Kreuz mittrage. Hilf mir, dass mein Kreuzweg nicht bloß das fromme Gefühl eines Augenblicks sei. Hilf uns, nicht nur mit hohen Gedanken mit dir mitzugehen, sondern mit dem Herzen, ja mit den ganz praktischen Schritten unseres Alltags deinen Weg zu gehen. Hilf, dass wir im Kreuzweg uns mit unserem ganzen Sein auf den Weg machen und so immerfort auf dem Weg bleiben. Hilf uns, im Mitgehen den Weg der Liebe zu finden – den Weg, der uns wahrhaft Leben, Leben in Fülle schenkt.

Stadtkreuz am Nordwall

„O Ihr alle, die Ihr vorüber geht am Weg, gebet acht und schauet, ob ein Schmerz gleich sei meinem Schmerz.“

Jesus, kein Schmerz, den Du nicht durchlitten, Jesus, kein Leid, das Du nicht ertragen, Jesus, kein Kreuz, das Du nicht mit mir trägst …

1. Fußfall

Darauf kam Jesus mit den Jüngern zu einem Grundstück, das man Getsemani nennt, und sagte zu ihnen: Setzt euch hier, während ich dorthin gehe und bete! Und er nahm Petrus und die beiden Söhne des Zebedäus mit sich. Da ergriff ihn Traurigkeit und Angst und er sagte zu ihnen: Meine Seele ist zu Tode betrübt. Bleibt hier und wacht mit mir!

Es ist die Stunde der Entscheidung. Jesus spürt dort am Ölberg, dass er der Liebe zu den Menschen und zu Gott nur treu bleiben kann, wenn er bereit ist, sich auf das Leiden einzulassen. Nur so kann die Liebe Gottes über den Hass der Menschen siegen.

2. Fußfall

Während er noch redete, kam Judas, einer der Zwölf, mit einer großen Schar von Männern, die mit Schwertern und Knüppeln bewaffnet waren; sie waren von den Hohenpriestern und den Ältesten des Volkes geschickt worden. Der Verräter hatte mit ihnen ein Zeichen verabredet und gesagt: Der, den ich küssen werde, der ist es; nehmt ihn fest. Sogleich ging er auf Jesus zu und sagte: Sei gegrüßt, Rabbi! Und er küsste ihn.

Judas hat Jesus verraten. Die frommen Juden lassen ihn gefangen nehmen. Petrus verleugnet ihn. Die Jünger laufen davon. Ohnmächtig ist der Herr, der doch mächtiger ist als jeder andere Mensch.

3. Fußfall

Pilatus wandte sich von neuem an sie und fragte: Was soll ich dann mit dem tun, den ihr den König der Juden nennt? Da schrien sie: Kreuzige ihn! Pilatus entgegnete: Was hat er denn für ein Verbrechen begangen? Sie schrien noch lauter: Kreuzige ihn! Darauf ließ Pilatus, um die Menge zufrieden zu stellen, Barabbas frei und gab den Befehl, Jesus zu geißeln und zu kreuzigen.

Jesus musste leiden, weil er die Wahrheit sagte und die Liebe brachte! Seit jener Stunde der Geißelung ist Verfolgung oft das Schicksal jener, die an Christus glauben und nach seinem Beispiel leben. Jesus sagt: „Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben Sie mich verfolgt, werden sie auch Euch verfolgen.“

4. Fußfall

Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus, führten ihn in das Prätorium, das Amtsgebäude des Statthalters, und versammelten die ganze Kohorte um ihn. Sie zogen ihn aus und legten ihm einen purpurroten Mantel um. Dann flochten sie einen Kranz aus Dornen; den setzten sie ihm auf und gaben ihm einen Stock in die rechte Hand. Sie fielen vor ihm auf die Knie und verhöhnten ihn, indem sie riefen: Heil dir, König der Juden!

Kann man einen Herrscher noch lächerlicher machen? Er ist der König der Welt. In Ihrem Hohn sagen die Spötter die Wahrheit, ohne es zu wissen.

5. Fußfall

Pilatus ging wieder hinaus und sagte zu ihnen: Seht, ich bringe ihn zu euch heraus; ihr sollt wissen, dass ich keinen Grund finde, ihn zu verurteilen. Jesus kam heraus; er trug die Dornenkrone und den purpurroten Mantel. Pilatus sagte zu ihnen: Seht, da ist der Mensch! Als die Hohenpriester und ihre Diener ihn sahen, schrien sie: Ans Kreuz mit ihm, ans Kreuz mit ihm!

In dem geschmähten und verspotteten Christus erkennen wir den zu Unrecht Leidenden, den, der am Kreuz für die Vielen schreit, die bis zum heutigen Tage unter Unrecht und Unterdrückung leiden. Und doch ist damit noch nicht alles gesagt. Jesus geht diesen Weg – nicht als ohnmächtiges Opfer menschlicher Niedertracht, sondern aus freiem Entschluss im Gehorsam seinem himmlischen Vater gegenüber. Er geht ihn für uns.

6. Fußfall

Dann führten sie Jesus hinaus, um ihn zu kreuzigen. Einen Mann, der gerade vom Feld kam, Simon von Zyrene, den Vater des Alexander und des Rufus, zwangen sie, sein Kreuz zu tragen.

Die Angst, die Demütigung, die Verspottung, die Geißelung: das war zu viel für Jesus. Er braucht den Mit-Menschen, den Mit-Leidenden, den Mit-Träger. Ob auf den Weg geschoben oder gezogen: Simon lässt sich vom Kreuz Jesu berühren.

7. Fußfall

Eine Frau steht am Wegesrand. Sie sieht den leidenden Jesus. Sie handelt. Sie geht auf ihn zu. Sie reicht ihm ein Tuch. Sie weiß: Sie kann Jesus nicht aufhalten. Sie kann ihm das Kreuz nicht nehmen. Aber sie kann ihm das Leiden für einen kurzen Augen-Blick erträglicher machen. Diesem Akt Anteil-nehmender Nächstenliebe drückt Jesus sein Gesicht auf. In Taten wie der ihren wird er weiterleben: Veronika (vera icon = wahres Abbild). Veronika trägt nicht wie Simon die äußere Last; sie nimmt mit-fühlend Anteil an der inneren Last.

Simon und Veronika: zwei Menschen, die sich einlassen auf Jesu Kreuzweg, zwei Menschen, die sich aufbrechen lassen von Gottes Liebe, zwei Menschen, die uns auf den Weg echter Jesus-Nachfolge führen können.

Kreuzgruppe auf dem Kapellenberg

Schau auf zum Kreuz:
Es breitet seine Balken,
Wie einer seine Arme öffnet,
Als wollt‘ er alle Welt umfassen:
Kommt her, ihr alle, Mühsel’ge und Belad’ne (Mt 11,28),
Auch ihr, die ihr mir rieft: „Ans Kreuz mit ihm!“
Es ist das Bild des Gottes, der am Kreuz erblich.
Es steigt vom Erdengrund hinauf zum Himmel
Gleich Ihm, der auf zum Himmel fuhr,
Und tragen möchte es alle mit hinauf.

Umfasse nur das Kreuz, so hast Du Ihn,
Der Wahrheit, Weg und Leben ist.
Trägst Du Dein Kreuz, so trägt es Dich
Und wird Dir Seligkeit. (Edith Stein)

Auf dem Weg zurück in die Stadt

„Wenn einer hinter mir hergehen will, verleugne er sich selbst, nehme täglich sein Kreuz auf sich und folge mir nach.“

Simon von Zyrene, der erste Jünger, der Jesus auf dem Kreuzweg folgt: Mit ihm bin ich aufgebrochen, hinter Jesus her. Von ihm habe ich mir meinen Platz zeigen lassen: das Kreuz tragen, es stellvertretend tragen, mich mit dem Kreuz berühren lassen von der Liebe zu Gott und den Menschen.

 

Und nun?

Bleibe ich auf dem Weg der Liebe, hinter Jesus her?…
Lasse ich mich berühren, anziehen von der Liebe Gottes,
die auch meine Wege nicht selten durchkreuzt?
Lasse ich mich wie Simon heraus-rufen aus der Routine des Alltags,
bereit, mein Leben zu teilen?
Lasse ich mich neu be-rufen
in das mutige Wagnis der Nachfolge Jesu?

Dieser Jesus, der damals seinen Kreuz-Weg gegangen ist,
den ich gerade begleitet habe,
dieser Jesus ist jetzt und weiterhin
als Auferstandener mit mir auf dem Weg.
Er trägt auch mein Kreuz mit.
Er vermag mein Leben zu verwandeln,
in neues Licht zu tauchen,
auch all das Durchkreuzte … (Brigitte Trilling)

 

Und wenn Du erahnst,
dass im Durchkreuzten
Deines Lebens
Gottes Arme sich öffnen,
Gottes Liebe Dich trägt,
Gottes Gegenwart Dich stärkt,
dann hast Du sie wahrhaft gefunden,
die sprudelnde Quelle des Lebens,
das Kreuz im Kreuz. (Brigitte Trilling)