Kirche
Schon seit 1652 gab es in Lendringsen eine Kapelle am Salzweg, die seit 1800 mit einem Schulgebäude verbunden war. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts reichte der kleine Kirchenraum für die 327 Einwohner, die Lendringsen 1789 zählte, aus. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts erlebte Deutschland einen rasanten Bevölkerungsanstieg. In der preußischen Provinz Westfalen, zu der Lendringsen gehörte, wuchs die Bevölkerung zwischen 1816 und 1865 um 57%. Diese Entwicklung spiegelte sich auch in Lendringsen wieder. 1871 zählte der Ort schon 1434 Einwohner. Die Kapelle am Salzweg konnte die große Zahl der Gläubigen nicht mehr fassen. Für viele Lendringser blieb nur der lange und beschwerliche Weg nach Menden zur Vincenzkirche. Die durchschnittliche Arbeitszeit lag 1870 bei 78 Wochenstunden. Die arbeitende Bevölkerung kam unter diesen Bedingungen nach einer überaus harten Sechs-Tage-Woche auch am Sonntag nicht zur Ruhe. Deshalb wurde der Ruf nach einer eigenen Kirche in Lendringsen, die die wachsende Zahl der Besucher aufnehmen konnte, immer lauter.
1884 wurde ein Pfennigverein gegründet, der Geld für einen Kirchbau sammeln sollte. Er wurde später in Kirchenbauverein umbenannt und hat bis 1914 bestanden. Die Spendenfreudigkeit der Lendringser war groß. Allein 1897 kamen 3000 Mark zusammen.
Nachdem die Zahl der Katholiken 1905 auf über 2000 angewachsen war, bekam Lendringsen endlich einen eigenen Geistlichen. Vikar H. Krewet war zuvor in Weißenfels in Sachsen tätig gewesen und trieb nun die Planungen für den Bau einer Kirche voran. Ein geeignetes Grundstück war vorhanden, eine Schenkung der Bäuerin Schulte-Hense. Eine weitere Parzelle wurde von Schulte-Hense dazu gekauft.
1906 wurde der Mainzer Professor L. Becker (1855-1940), ein bedeutender Kirchenarchitekt und Dombaumeister, als Architekt gewonnen. Er entwarf eine Kirche im neugotischen Stil. Mit der Bauausführung wurde der Bauunternehmer Sunder-Plaßmann aus Förde (Grevenbrück) beauftragt.
Am 28. Mai 1908 konnte Dechant Boeddicker (1853-1929, von 1905 bis 1929 Pfarrer an St. Vincenz) die Grundsteinlegung vornehmen. Im Steinbruch Groß in der Lürbke wurden die Steine für die Kirche gebrochen, mit einfachen Gerätschaften und unter großem körperlichen Einsatz.
Bauer Ostermann beförderte die Steine vierspännig nach Lendringsen, wo sie von italienischen Steinmetzen bearbeitet und gesetzt wurden. Viermal täglich wurden fünf Tonnen Steine zur Baustelle gefahren. Die Arbeiten schritten zügig voran. Die Steine wurden mit einer sowieso schon schweren Holzschubkarre eine Rampe hinaufgefahren, eine heute unvorstellbar schwere Arbeit.
Im Frühjahr 1909 war die Kirche fast fertig. An der Westfassade fehlte nur noch die Figur des hl. Josef. Die Kirchturmspitze fehlte ebenfalls noch, aber die Rosenblattverzierung aus Sandstein war schon fertiggestellt. Das Wendeltreppentürmchen hatte noch keine Spitze.
Am 15. August 1909 konnte Dechant Boeddicker die Kirche im Auftrag des Bischofs W. Schneider (1847-1909, von 1900 bis 1909 Bischof von Paderborn) einweihen.
Am 1. April 1910 wurde die Filialgemeinde von St. Vincenz abgepfarrt und ist seitdem eine selbstständige Pfarrei. Die feierliche Konsekrierung nahm am 6. Oktober 1912 Bischof K. J. Schulte (1871-1941, von 1910 bis 1920 Bischof von Paderborn, von 1920 bis 1941 Erzbischof von Köln) vor.
Dies ist das älteste Foto vom Inneren der Kirche. Es wurde in der Weihnachtszeit von 1910 auf 1911 aufgenommen. An den Säulen stehen noch keine Heiligenfiguren auf den Konsolen, sondern Öllampen. Die Kirche bekam erst 1911 elektrisches Licht.
Offenbar waren schon von Anfang an Heiligenfiguren für den Altarraum vorgesehen. Sechs Konsolen und sechs Baldachine sind zu sehen, die Zwischenräume waren für die Figuren gedacht.
Am Altar sieht man rechts und links vom Tabernakel Vorhänge, vor denen eine Herz Mariä- und eine Herz- Jesu-Figur standen. Die Kommunionbank war in den ersten Jahrzehnten ungeteilt.
Zwanzig Jahre später hat sich das Innere der Kirche verändert. Im Altarraum stehen jetzt vier Figuren. Mehr sind es auch nie geworden, die anderen beiden Plätze sind nie besetzt worden. Von links nach rechts sind es Petrus, Herz Jesu, Herz Mariä und Antonius.
Auch an den Säulen stehen jetzt Heiligenfiguren. Von der Decke hängt ein Triumphkreuz mit einem elektrischen Strahlenkranz, der an hohen Feiertagen im Hochamt brannte. Gut zu erkennen sind die wertvollen Schleier, die von der Decke hängen. Sie waren von den Vincentinerinnen angefertigt worden. Vier Vincentinerinnen sind auf der rechten Seite zu erkennen, in der Bank, auf der heute noch ein Metallschild an sie erinnert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg bekam die Kirche ein neues Altarkreuz, das heutige Missionskreuz. Hinter dem Kreuz ist ein großer grüner Vorhang zu sehen, der in der Mitte geteilt war. Während des Krieges schob Dechant Meierfrankenfeld den Vorhang mit einem langen Bambusstab auseinander, wenn ein Soldat aus der Gemeinde gefallen war. Hinter dem grünen Vorhang konnte man dann einen schwarzen Vorhang sehen, ein Zeichen der Trauer für den Gefallenen.
Die Kommunionbank ist jetzt geteilt. Auf den Stufen des Altars liegt der Teppich, den die Frauen des Paramentenvereins in den zwanziger Jahren angefertigt haben.
Am 14. April 1950 schrieb die Westfalenpost:
„Am ersten Ostertag wurden die Gläubigen der katholischen Pfarrgemeinde St. Josef beim Betreten des Gotteshauses durch eine neue künstlerisch wertvolle, überlebensgroße Christusstatue überrascht. Vor sechs Jahren bereits bei einem Paderborner Künstler in Auf trag gegeben, traf das Christusbild am Vortage des Osterfestes ohne Wissen der Gemeindemitglieder in Lendringsen ein. Hoch über dem Hochaltar steht der Auferstandene, seine Arme schützend über die betenden Gläubigen ausbreitend und in der linken Hand die Siegesfahne tragend mit der Inschrift: Victor quia victinia (Sieger, weil ich besiegt wurde). Die Gemeinde ist über dieses neue Christusbild, das wesentlich zur Innenausstattung des Gotteshauses beiträgt, hocherfreut.“
Die Statue ist später zersägt und dann verbrannt worden.
Das Foto entstand beim 40-jährigen Priesterjubiläum von Dechant Meierfrankenfeld in der Osterzeit 1950. Rechts am Altar vorne Vikar Habbel, dann Dechant Meierfrankenfeld und J. Schulte aus Menden. Auf der Kanzel der frühere Lendringser Vikar Trondt.
1956 wurde der Altar neu gestaltet. Der Mendener Künstler Wilhelm Hausmann schuf ein neues Kreuz. Das Foto ist zwischen 1958 und 1967 entststanden, es könnte Weißer Sonntag oder Fronleichnam sein. An beiden Festen standen nämlich Fahnenträger am Altar.
1967/68 wurde der Chorraum nach der Liturgiereform völlig neu gestaltet. Links Vikar Blumberg, rechts am neuen Ambo Pfarrer Kemper. Der neue Tabernakel fehlt noch. Er wurde im Juli 1968 aufgestellt.
Altar, Tabernakel und Ambo wurden von Josef Baron aus Hemmerde geschaffen. In der Altarplatte befinden sich Reliquien der Heiligen Simplicius und Mansuetus.
1986 wurde die Kirche im Inneren gründlich renoviert. Als die Gerüste abgebaut wurden, konnte die Gemeinde die neue Gewölbemalerei bewundern.
Unterdessen hatte die Kirche neue Türen im Hauptportal bekommen. Die Darstellung zeigt den Erzengel Gabriel, der Maria verkündet, dass sie zur Mutter des Messias, des Gottessohnes, erwählt ist.
R. Schrieck